Wet Plate Collodion Photography

 

Photographie wie vor 150 Jahren

Fotos zu machen, das ist heutzutage keine große Kunst mehr. Jeder hat eine Digitalkamera, ein Druck auf den Auflöser genügt und sofort ist das Bild auf der Speicherkarte. Und auf so eine Karte passen hunderte Bilder. Und kosten tuts ja auch fast nichts, Speicherkarten bekommt man in jedem Elektroladen für ein paar Euro.

Doch das war nicht immer so. In den Anfängen der Fotografie im 19. Jahrhundert war es für die meisten Bürger ein unschätzbarer Luxus, auch nur ein einziges Foto z.B. von der Familie zu besitzen. Die Technik war kompliziert, aufwendig und teuer - Fotografieren war einzig und allein ausgebildeten Fotografen vorenthalten ! Die Qualität dieser frühen Fotos ist aber dennoch oft einzigartig. Die meisten der damaligen Fotografien sind sogar heute, also rund 150 Jahre später, noch perfekt erhalten ! Und dabei wurden diese Fotos nicht in Archiven gelagert, sondern lagen meist Jahrzehnte lang auf irgendeinem Dachboden. Das mache mal einer mit einer CD, einer Speicherkarte oder einer Festplatte !

Die meisten der damaligen Fotos, also ca. aus der Zeit um 1870, sind sogenannte Ambrotypien, Ferrotypien und Daguerreotypien. Letztere sind die älteste Form der Fotografie, die Technik beruhte auf Silberbeschichteten Kupferplatten, die mit Iod- und Bromdämpfen sensibilisiert wurden und nach der Belichtung mit Quecksilberdämpfen entwickelt wurden. Das Verfahren ist extrem aufwendig und außerordentlich giftig und gefährlich.

Wesentlich ungefährlicher sind dagegen Ambrotypien und Ferrotypien. Beide beruhen auf der gleichen Technik und unterscheiden sich lediglich im Trägermaterial. Ambrotypien sind Fotos auf Glasplatten, die billigeren Ferrotypien wurden auf Eisen- oder Aluminiumblech hergestellt.

Beide Verfahren beruhen auf dem Prinzip der „Kollodium-Nassplatte“ bzw. „Wet Plate Collodion“ in der Englischen Bezeichnung. Erfunden wurde es 1850 vom Briten Frederick Scott Archer. Das Verfahren war ein Durchbruch in der damaligen Fotografie, da es nun erstmalig möglich war, Glasnegative zu erstellen, die dann auch mit speziellen Vergrößerern (die damals mangels elektrischen Lichts mit Sonnenlicht arbeiteten !) auf Fotopapier (sog. Albuminpapier) vergrößert werden konnten.

Kernstück der Erfindung ist die Verwendung von sog. Kollodium als Trägersubstanz. Kollodium ist Kollodiumwolle aufgelöst in einer Mischung von Diethylether und Alkohol. Kollodiumwolle ist nitrierte Baumwolle und wird oft mit der Schießbaumwolle verwechselt. Kollodiumwolle hat aber einen wesentlich geringeren Stickstoffanteil als Schießbaumwolle.

Kollodiumwolle:

Dem Kollodium, also der Lösung von Kollodiumwolle in Ether und Alkohol, setzt man dann Bromid und Iodid Salze hinzu, z.B. Kaliumbromid/-iodid. Diese Mischung ist dann die Trägersubstanz. Sie wird dann auf eine gut gesäuberte Glasplatte (für eine Ambrotypie oder ein Negativ) bzw. eine Aluplatte (Ferrotypie) aufgetragen.

Das kann man in dieser Bilderserie gut sehen.


1. Die gesäuberte Glasplatte und das Kollodium im Fläschchen:

2. Das Kollodium wird auf die Platte gegossen:

3. Das Kollodium wird durch leichtes Kippen der Platte von Ecke zu Ecke fließen gelassen, bis die ganze Platte bedeckt ist:

4. Zum Schluss lässt man das Kollodium wieder zurück in die Flasche laufen, dabei wird die Platte auch ständig hin und her geneigt, damit es keine Fließspuren gibt:

Die beschichtete Platte:

Das Ganze sieht leichter aus als es ist, es ist garnicht soleicht das Kollodium auf der Platte fließen zu lassen ohne dass es an allen Seiten herunterläuft !

Im jetzigen Zustand ist die Platte aber immernoch nicht Lichtempfindlich, das kommt erst im nächsten Schritt, der sog. Sensibilisierung. Das Sensibilisierungsbad ist eine 9%ige Silbernitratlösung in einem Plexiglasbehälter:

Auf den „Plexiglas-Schieber“ wird die beschichtete Platte gelegt und dann in das Silberbad getaucht. Ab diesem Schritt ist die Platte sensibilisiert, also lichtempfindlich. Deshalb steht der Plexiglasbehälter in einer lichtdichten Box (hier ohne Deckel):

Was bei der Sensibilisierung passiert ist recht einfach: Das Silbernitrat reagiert mit den Bromid bzw. Iodid Salzen im Kollodium zu Silberiodid bzw. Silberbromid. Das sind die eigentlichen Lichtempfindlichen Substanzen.

Da es in Deutschland leider sehr schwer und teuer ist Silbernitrat zu beziehen stelle ich mir dieses meist selbst her. Grundstoff sind alte Silbermünzen:

Diese löse ich in Salpetersäure auf (unter dem Abzug versteht sich), wodurch sich Silbernitrat bildet, welches beim Abkühlen auskristallisiert.

Nach etwa 3min ist die Sensibilisierung der Platte abgeschlossen und man kann sie in der Dunkelkammer bei Rotlicht in den Plattenhalter der Kamera legen. Als Kamera wird eine Großformatkamera benötigt. Ich benutze eine alte kleine Balgenkamera, schätzungsweise von 1920/1930:

Um größere Aufnahmen machen zu können, habe ich mir selbst eine zweite Kamera gebaut:

Diese ist wesentlich größer und kann Fotos mit 25x25cm größe aufnehmen !

Der Balgen der Kamera ist auch selbstgebaut, er besteht aus 120 Trapezförmigen Kartonstreifen, welche auf schwarzen, lichtdichten Stoff geklebt sind:

Das Ganze ist extrem aufwendig und vorallem zeitintensiv, aber das Ergebnis ist es wert:

Zurück zur Kollodium Nassplatte:

Warum heißt es überhaupt Nassplatte ? Der Name kommt daher, weil die Platte während des ganzen Prozesses feucht sein muss. Man nimmt also die Platte aus dem Silberbad und legt sie, ohne sie irgendwie trocknen zu lassen, in die Kamera ein. Dann wird belichtet und danach auch sofort entwickelt - die Platte darf nicht trocknen ! Aus diesem Grund muss man an der Stelle, wo man das Foto macht, auch seine Dunkelkammer haben, weil das Foto sofort nach der Belichtung entwickelt wird.

Auch einen Belichtungsmesser wie bei modrenen Kameras kann man nicht verwenden, denn jede Platte hat ihre „eigene“ Empfindlichkeit. Das hängt von der Sensibilisierungszeit ab, von der Mischung des Kollodiums usw. Man muss die Belichtungszeit also einfach abschätzen. In jedem Fall aber braucht man viel Licht, denn die Platten sind im Vergleich zu modernem Film sehr unempfindlich.

Die meisten Fotos mache ich deshalb im Freien, bei strahlendem Sonnenschein sinkt die Belichtungszeit auf etwa 1sec. Aufgrund des schlechten Wetters habe ich in den letzten Tagen mit Kunstlicht experimentiert, hier sind trotz der 2 Baustrahler Belichtungszeiten von ca. 10sec. notwendig !

Das Ergebnis von der obigen Szene sieht man hier:

Das wahre Aussehen von diesen Ambrotypien kann digital nicht richtig wiedergegeben werden, weil sie sich nicht wie „normale“ Fotos verhalten. Der Grund ist der „Ambrotypie-Effekt“, auch „Dunkelfeldprinzip“ genannt: Hält man das Bild vor einen weißen Hintergrund, so erscheint es als Negativ. Die durchsichtigen Stellen ercheinen weiß, die vom Silber bedeckten Stellen schwarz. Hält man das Bild dagegen gegen schwarzen Hintergrund dreht sich das Ganze um: Die durchsichtigen Stellen erscheinen schwarz, und das Silber wirkt nun als eine Art Spiegel, sodass die belichteten Stellen für das Auge heller erscheinen. Eine Ambrotypie kann daher auch nur den vollen Kontrastumfang und die ganze Brillianz zeigen, wenn genügend Licht vorhanden ist.

Im Folgenden nun ein paar weitere Fotos die ich mit dieser Wet-Plate Technik gemacht habe:

Das waren 3 „Quarter Plates“, die ich mit der kleinen Kamera geschossen habe. Jetzt folgen noch einige „Full Plates“ die ich mit der großen 25x25cm Kamera gemacht habe: